Liebe Freunde und Wegbegleiter!

 

Eingangs vielen herzlichen Dank unseren neuen Unterstützern und danke den „Alten“ für ihre Verbundenheit! Die Zahl der Helfenden  ist größer geworden und hilft uns beim Einsatz für die Mütter und Kinder im Projektgebiet.  

Eine meiner Begleiterinnen ist nicht mehr dabei; meine Tante Annele Rau, die trotz ihres hohen Alters meine Wege nach und in Indien aufmerksam und wohlwollend begleitete, ist im Januar 2010 gestorben. Ihr Interesse an diesem Unternehmen hat immer gut  getan!

Neujahr und Pongal liegen hinter uns und auch RD, der Republic Day, der zu den wichtigsten Festen in Indien zählt. Vielleicht nicht ausschließlich. Es gibt noch Deewali, Weihnachten, Ostern, diverse Mondfeste und..  die Geburt von Annies und Anbarasus Sohn Ashwin am 18-01-2010.

Viereinhalb Stunden bevor in Mittel-Europa Raketen und Sektkorken mit Getöse das Jahr 2010 bekrachten, hatten sich in Pondicherry Zehn-Tausende an der Strandpromenade versammelt und brüllten sich pünktlich (!) 0:00 ein „Happy New Year“ zu. Entgegen sonstiger Gewohnheit ohne elektronische Verstärkung und somit erträglich. Wohl die einzige Nacht in Indien ohne irgendein Hupen-Getöse oder Motorenlärm. 

Pongal (Ernte-Dank und auch die Bezeichnung für das Essen) startet mit dem Hindu-Neujahr am 14-01, dauert mindestens drei Tage und ist in Tamil Nadu dieFestlichkeit. Dem „Bhogi Pongal“, gewidmet dem Gott Indra, der für alle Freuden des Lebens zuständig ist,  folgt „Surya Pongal“ zu Ehren des Sonnengottes ohne den Leben auf der Erde nicht möglich wäre. Am dritten Tag, „Mattu Pongal“ werden die Tiere, besonders die Ochsen und Kühe geehrt, gebadet, geschmückt und deren Hörner farbig lackiert. Das ist der besondere Tag der Bauern.

Tag eins beginnt mit einem Ölbad, danach werden neue Kleider getragen. Dieser und der Vor-Tag sind eine Art „Frühjahrs-Putz“, an dem man sich von nicht notwendig Scheinendem, besonders aber von Müll trennt, was mit dessen Verbrennung auf den Straßen in Madras zur Einstellung des Flugverkehrs führte.

In weiten Teilen des Landes wird Zuckerrohr mit Milch verkocht und nach diversen Zutaten der versammelten Familie als besonderes Essen gereicht. Die vor den Türen der Hütten und Häuser auf die Straße üblicherweise gestreuten Mandalas sind in dieser Zeit besonders kunstvoll und es gibt Wettbewerbe wie bei „Unser Dorf soll schöner werden“. Die Tempel sind noch mehr als sonst besucht und die Priester danken Indra für den Regen, den er allen Früchten zukommen ließ.

An Tag zwei werden die Häuser geschmückt, die Familien besuchen einander und es wird eine spezielle Speise, die aus Reis, Cashew-Nüssen, Cardamum und regionsspezifischen Gewürzen besteht, in einem besonderen Messing-Topf zubereitet. Dieser Topf wird zunächst an einen sonnigen Platz vor dem Haus gebracht, damit der Sonnengott ihn sehen kann, bevor man den Inhalt an die Vielzahl der Clan-Mitglieder verteilt.

Tag drei ist der Tag der Tiere, besonders der Widerkäuer. Mit einer unglaublichen Hingabe werden die Tiere, die man sonst nicht gerade liebevoll behandelt, gebadet (!), die Hörner gereinigt, poliert und mit Girlanden geschmückt. Die Tiere erhalten ebenfalls „Pongal“ zu essen und zu meiner Verwunderung Bananen. Die Indischen Rindviecher scheinen Allesfresser und Kummer gewöhnt zu sein..

Mit dem 19-01-2010 startete „Bonjour India“, das Festival Frankreichs in Indien, welches bis zum 27-01-2010 dauernd, den „Republic Day“ einschloß, der am 26-01 in ganz Indien als Tag der Gründung der Indischen Republik im Jahr 1950  gefeiert wird. Mit Glanz und Gloria, Aufmärschen etc. Farbenprächtig und aufwendig wie alles, was hierzulande gefeiert wird.  Es werden weder Kosten noch Mühe gescheut, um alles ins rechte Licht zu setzen. Keine Stromabschaltung oder sonstige Ausfälle.. Dieser Tag ist der Tag der Regierungsgeschenke. Privatschulen erhalten Busse, Kinder Schuluniformen und für die Ärmsten hatte Herr Minister M. K. Stalin die ersten von einigen hunderttausend Fernsehgeräten parat. Versprochen ist versprochen..

Der Aneinander-Reihung der Festtage ist zu entnehmen, was von informierter Seite angekündigt war und menschlich nachvollziehbar ist: Die „Brückentage“ dienten vielen als willkommene Gelegenheit, nicht zu arbeiten und somit tat sich in weiten Teilen des Landes nicht wirklich viel, insbesondere, da einige Tage des Januar 2010, die nicht mit den Feiertagen zusammenfallen(!) von den Tempel-Priestern als besonders günstig für Hochzeiten bestimmt waren, was zu ausgebuchten „Marriage-Halls“ und aufgrund der mehrtätigen Dauer einer Indischen Hochzeit zu entsprechenden Arbeits-Ausfällen führte. 

Die am Verkauf interessierte Geschäftswelt hatte dennoch meistens geöffnet und so war es ein Vergnügen, eine ganze Reihe  fehlender Ausstattungs-Materialien und Gegenstände für das MHC zu finden, zu kaufen oder zu bestellen. 

Die Waschbecken-, Warmwasserbereiter-, Wasserhahn- und Moskito-Netz-Situation ist geklärt und die Teile gekauft bzw. bestellt. Die Hilfsbereitschaft der Indischen Geschäftsleute ist eine durchaus bemerkenswerte. Und offensichtlich helfen sich die Geschäfte aus und stellen dem Nachbarn Teile zur Verfügung, die dieser gerade nicht hat. 

Neben diesen spannenden Aktivitäten erreichte mich am 18-01-2010 auf dem Weg zur Baustelle die Nachricht von Annie, daß sie per Kaiserschnitt entbunden werden sollte. Da die jungen Leute sehr viel Wert auf die Unterstützung durch Hanka John legen und ihnen meine Meinung als Arzt wichtig scheint, insbesondere aber, weil wir den beiden Freunde sind, warteten wir auf die Ankunft des kleinen Mannes, der dann um 18:05 per Kaiserschnitt das Licht dieser Welt erblickte. Mit einem Gewicht von 2850 g guter Indischer Durchschnitt. Das Kind ist gesund. Der jungen Mutter geht es gut und der Vater ist glücklich. Jetzt wird seit zwei Wochen nach einem Namen gesucht, was nicht nur den Eltern, sondern auch den Großeltern Kopfzerbrechen bereitet und ich behaupte, daß das Kind aus diesem Grunde alle zwei Stunden quängelt..

Zwei Tage nahmen wir an einem Training für Trainer teil. Veranstaltet im PMD-Center unter Leitung von Herrn Stalin vom College für Medizinische Ausbildung in Vellore. Bemerkenswert an diesem Kurs über richtige Ernährung des Kindes waren neben den Inhalten die angenehme Art des Trainers und die Freude und spielerische Leichtigkeit mit der die achtzehn jungen Frauen sich des Themas annahmen und ihre Ideen wie sie dies dann jeweils zwanzig weiteren jungen Müttern in ihrem Dorf weitergeben wollen. Diese Art des Umgangs dürfte die im Rahmen des Projekts geplanten Schulungen nicht unerheblich erleichtern. Herr Stalin, der, etwas untypisch, ausgesprochen offen ist für neue Einsichten und Wege, hat seine Unterstützung zugesagt und findet den Plan des MHC gut, was wiederum mir gut getan hat.

Mit Herrn Dhandipani (Architekt) fand eine Reihe von Besprechungen statt, die dem Baufortschritt neue Impulse geben sollen. Trotz der eingetreten Verzögerungen, die dem Architekten unter dem Aspekt der allfälligen Inflation ein Greuel sind, da seine Kostenkalkulation instabil wird und er solche Probleme nach seiner Aussage in dieser Form nicht kennt, sind einige wichtige Maßnahmen am Bau vollendet: Der Fußboden im Erdgeschoß ist großflächig mit Granitplatten belegt, die Elektro-Installation ist in Angriff genommen und das Fliesen der Wände soll nach Abschluß der Wasser-Installation folgen. Teile des Gebäudes sind mit einem Grund-Anstrich versehen und die Schreiner haben sich an die Vorbereitung der Türen gemacht. Wenn ab jetzt wie geplant alles Hand-in-Hand gehen kann, sollten die Vorbereitungen zur Einrichtung Mitte März 2010 starten können und Ende März 2010 mit der Einbringung der Einrichtungs-Gegenstände begonnen werden. 

Wenngleich dies sehr viel später als projektiert ist, wird die Zeit nicht nutzlos gewesen sein, da Hanka John und Agnes (eine der beiden Indischen Hebammen) intensiven Erfahrungstausch pflegen und dies zu den vertrauensbildenden (wie angestrebt) Maßnahmen zählt. Nebenher wird dann auch über Privates gesprochen und man kann einiges über Dorf und Leute erfahren..  Hanka arbeitet mit Nachdruck an der Übersetzung von Standards, erstellt Graphiken und erweitert die Medikamenten-Liste. Die Preise sind derzeit nicht eruierbar, da eine neue gelbe Liste, die in Süd-Ost-Asien CIMS heißt und an die WHO-Empfehlungen angepaßt ist, noch nicht erhältlich ist. Muß man eben jeden Tag hinlaufen und fragen. „Not yet arrived“. Es wird schon werden.. Mit Februar-Beginn wird Hanka in einem Krankenhaus, welches wie MHC spezialisiert ist, ausschließlich Frauenheilkunde, Schwangerschaft und Geburt hier in Pondicherry für einige Tage hospitieren, um die „Innenstruktur“ und Abläufe kennenzulernen. Diese Klinik hatten wir bereits besucht als Teresa noch in Indien weilte und waren von der Ausstattung, dem Konzept und der Durchführung sehr angetan. Eine Gelegenheit, Tamil zu sprechen..

Seit einigen Wochen gibt es zu meiner Freude intensiven Meinungs-Austausch mit Frau Dr. Hilde K. Link, die sich als Indien-Expertin (seit 20 Jahren Forschungsprojekte ebenda) und über Jahre in Pondicherry resident, sehr für das Pirappu-Projekt und dessen Hintergründe und Gegebenheiten interessiert. Die Hinweise von Frau Link auf Indische Besonderheiten, Deutsche Eigenheiten und die möglichen Folgen sind mir sehr wichtig und die angebotene Hilfe von unschätzbarem Wert..  

Trotz aller Freude über die Ernennung von Herrn Dr. Arokianatan zum Leiter der Fakultät für modernes Tamil  der Universität Pondicherry bleibt das Bedauern über die nun aufgrund der neuen Aufgabe für den Sprachunterricht fehlende Zeit.  An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch und herzlichen Dank für die erwiesene Geduld und Aufmerksamkeit!

 

Ihnen (Euch) für das kommende Jahr – nein nicht nur für dieses – alles Gute!

Danke fürs Da-Sein! 

Und Danke für die erwiesene Geduld und Aufmerksamkeit!

 

Ihr Dr. W. Donné 

 

Einige Bilder hierzu sind unter „Januar 2010“ im Bilder-Katalog abgelegt.