Januar und Februar 2010 6 Years, 10 Months ago

Hallo Ihr Lieben zu Hause,

Ein ganz großes SORRY, dass ich mich erst jetzt wieder melde, aber, Ihr werdet es nicht glauben, mein Rechner war mal wieder nicht ansprechbar. Nun redet er wieder mit mir und
somit kann ich auch wieder mit Euch reden. Was mich natürlich sehr freut. Die Frage ist nur, wo anfangen nach so langer Zeit.
Begonnen hat das Neue Jahr mit meiner ersten kleinen Tropenkrankheit (Dengue-Fieber). Alles nicht weiter schlimm, a bissel Fieber und eben Knochenschmerzen, was dem Guten auch den Namen Knochenbrecherfieber eingebracht hat. Hab mir sagen lassen, dass es erst beim zweiten Mal richtig schlimm wird, von der Seite war alles im grünen Bereich. Blöd war halt nur, dass mich das gut zwei Wochen lahm gelegt hat und ich eigentlich nicht viel machen konnte (ich hatte ja schon genug damit zu tun, mich umzudrehen). Aber es geht mir wieder sehr gut und alles ist beim alten.
Das erste Highlight in diesem Jahr war die Geburt von Annies Sohn Anuj Nilam am 18.01.2010. Leider per Kaiserschnitt, weil Annie, obwohl sie 3 Tage über Termin war, einfach keine Wehen bekommen wollte und sich noch dazu der Muttermund nicht öffnete. Wenn das mal kein Grund ist! Wie es das Schicksal so wollte, waren wir (Wolfgang und ich) während der Geburt im Krankenhaus dabei. Krankenhaus ist ein wenig übertrieben, eigentlich war es die Privatpraxis von Frau Dr. Poomadu - wenn Ihr mich fragt, acht Zimmer, mit mehr Mücken drinnen als Menschen. Wolfgang durfte sogar mit in den OP, wovon er sich Tage später immer noch nicht richtig erholt hatte. Er mag ja manchmal sehr genau sein, aber Mücken im OP Feld und ein neugeborenes Kind, das gut 1 Stunde in einer Plastikschale auf dem Boden unter einem Ventilator steht, geht halt wirklich gar nicht. Wer das überlebt hat schon mal was geschafft. Zum Glück haben beide das bisher ganz gut überstanden und auch Annie hat sich wohl so langsam von dem Schock erholt, dass sie nun eine Narbe längs über den ganzen Bauch hat, anstatt quer. Sie kannte das von ihrem Medizinstudium in Chennai auch anders. Am 14.Februar ist der Kleine dann getauft wurden. Es war ein großes Fest mit vielen Gästen, die alle ihren Segen auf dem Gesicht des Kindes hinterlassen haben. Armes Kind, denn, geschätzte 200, mehr oder weniger fremde, Leute, die mit mehr oder weniger sauberen Händen in meinem Gesicht rummachen, fänd ich persönlich nicht so schön. Deshalb hatte ich es vorgezogen, mich mit den restlichen anwesenden Kids (ca.15 zwischen 5 und 13 Jahren) näher zu befassen. Was für ein Spaß! Tamil-Lernen kann so einfach sein. Ich kann jetzt zumindest fließend bis 10 zählen und auch ein kleines Liedchen wozu man eigentlich zu zweit, wahlweise aber auch zu 15., in die Hände klatscht. Das war echt lustig!!!
Und so kommen wir auch gleich zu meinem zweiten Highlight im Januar. Samy hat zusammen mit einem Herrn Stalin (Gesundheitstrainer von der christlichen medizinischen Hochschule von Vellore) ein Seminar für Frauen aus den Selbsthilfegruppe organisiert mit dem Thema: Health Education Training in Punkto Säuglingsernährung. Davon war ich sehr begeistert!! Ich hatte riesigen Spaß mit den Frauen, und ich glaube die auch so ein Stückchen mit mir – Ihr wisst mein Tamil und so und dann bin i auch noch soo groß und weiß und überhaupt. Naja und wir alle zusammen hatten viel Spaß mit Herrn Stalin, der seinerseits der erste Inder ist, den ich getroffen habe, der wirklich an seiner Arbeit interessiert ist und Spaß dran hat, jemandem, in dem Fall auch noch Frauen, etwas beizubringen. Super! Ich hatte ja einen ähnlichen, wenngleich auch sehr viel ausführlicheren Kurs im Rahmen meiner Vorbereitung. Der Vergleich zwischen beiden ist vielleicht nicht ganz fair, dennoch würde der Indische in jedem Fall gewinnen. Selbst die Tatsache, dass ich nur, ich will jetzt mal maßlos übertreiben, vielleicht jedes 18. Wort verstanden habe, bringt dem ganzen keine Minuspunkte. Was für ein lebendiger Kurs, alle waren so interessiert und wissbegierig, jede wollte etwas sagen und selbst als am Ende die Präsentationen anstanden und das gelernte quasi in einer Art „Kurztrainingseinheit“ gezeigt werden sollte, waren die Mädels zwar aufgeregt, aber dennoch mit Eifer dabei. Ok, die Handytelefoniemanie der Inder kann man ihnen wohl einfach nicht abgewöhnen – denn selbst bei der Präsentation klingelt das gute Stück tapfer, wenn auch unbeantwortet, vor sich hin - wobei erstaunlicher Weise selbst Herr Stalin davon genervt war. Er erzählte uns auch, dass er wohl seit gut 20 Jahren versucht, seinen Mitmenschen die öffentliche Defäkation abzugewöhnen – ein Feld für die Mädels und ein anderes für die Buben, ist halt auf Dauer auch kein Zustand für eine aufstrebende Weltmacht wie Indien, wobei mich das jetzt wieder an diese kleine süße Maus im TV erinnert, die ständig versucht die Weltmacht an sich zu reißen, wie heißt sie doch gleich, egal – auf jeden Fall hat Herr Stalin damit bislang sehr wenig Erfolg. Eine Bekannte hier aus Pondicherry – Hilde, Ethnologin und seit 20 Jahren mehr oder weniger hier in Indien beschäftigt – erklärte uns unter anderem, warum es so schwierig ist das Toilettenproblem in Indien zu lösen. Spannende Sache, ihr seid bestimmt schon ganz aufgeregt das zu erfahren, gel? Wir könnten natürlich auch ein kleines Quiz veranstalten und Ihr schreibt mir Eure Vorschläge dazu ins Forum?!?
Besser nicht, wenn dann nix kommt bin i ganz traurig und mit der Preisvergabe wird es auch nicht so einfach.
Also, kurz und knapp: es ist wohl schlicht und ergreifend nicht üblich, um nicht zu sagen unsittig, Körperausscheidungen jeglicher Form in Indien zu sammeln. Ich finde, dass ist eine maßgebende Info, denn wenn man weiß, wo das Problem ist, kann man damit auch besser umgehen und es vielleicht gar beseitigen. Ist doch so, oder? Was mir persönlich jedoch in Punkto Hausbau im Januar auch nicht weitergeholfen hat. Ich weiß, was und wo das Problem war: es war ganz einfach niemand da, der gearbeitet hat. Aber was dagegen tun? Ich versuche es immer mal wieder mit Verständnis und das klappt auch meist ganz gut. Denn: die Arbeiter haben eigentlich das ganze Jahr keinen Urlaub – ok, unsere haben wenigstens den Sonntag frei, was nicht allen vergönnt ist – und da kann ich schon verstehen, wenn so herausragende Feiertage, wie Neues Jahr, Pongal (Erntedankfest) und besonders gute Tage zum Heiraten, etwas ausgedehnt werden. Leider führte das in unserem Fall zu einem kompletten Baustopp im Januar. Und da kommt dann doch Ärger auf, denn das Haus ist ja nicht für mich, sondern für die Frauen und Familien aus den eigenen Reihen und je schneller es fertig wird, umso schneller verbessert sich die Gesundheitsversorgung. Und wir sind ja eh schon fast 5 Monate im Verzug… Nun gut, aber Anfang Februar wird nun wieder mehr oder weniger fleißig gearbeitet, je nachdem, wer sich zu Besuch angemeldet hat. Zum Glück gibt es da zurzeit einige Ankündigungen aus Deutschland, die zu einer erheblichen Beschleunigung der Baumaßnahmen geführt haben. Und der aktuelle Stand ist der: Treppenaufgang zum ersten Stock hat jetzt auch ein Treppenhaus, es wurde endlich begonnen, die Fliesen im Erdgeschoß zu legen, das Security Haus ist gemauert, die Rohre für Strom und Wasser sind weitestgehend verlegt (mit ein bissel Glück bekommen wir sogar Licht im Vorratsraum), Türrahmen sind drin und die Fensterrahmen samt Glasfenster auch (leider vor dem Streicher der Rahmen). Wirklich deprimierend, was die ganze Strom- und Wasserverlegungssituation angeht, ist, dass Wolfgang sich so viel Mühe gegeben hat diese irgendwie zu verbessern. Er hat Pläne ausgearbeitet und Rohre gekauft, sich selbst Werkzeug gebaut, um alles irgendwie doch ein wenig besser zu machen, als es eben momentan ist. Leider haben wir es nicht geschafft, dass unseren Bauarbeitern nahe zu bringen. Mag sein, dass Bauarbeiter, egal ob deutsch oder indisch, nicht gern Verbesserungsvorschläge annehmen. Mag sein, dass man uns trotz Dolmetscherin, die wir dafür engagiert hatten, nicht richtig verstanden hat. Ich weiß es nicht. Tatsache ist nur, dass, außer dem Siphon, nichts von dem was vorgeschlagen auch angenommen wurde. Das macht mich ratlos, da hilft auch kein positives Denken.
Was dem Haus jetzt nur noch fehlt ist ein funktionierender Septiktank, die Rohre die das Abwasser in Selbigen leiten, die Mosquitonetze vor den Fenstern, sämtliche Türen, alles muss, denke ich, von außen und innen nochmal gestrichen werden (und ich hoffe noch immer, dass wir bei der Auswahl der Farben dabei sein dürfen; man erinnere sich nur an das grüne Klo im blauen Badezimmer im Gästezimmer auf dem Küchenhaus), alle Armaturen müssen angebracht werden, das Gelände muss eingeebnet werden und dann würde ich mal sagen, können wir mit dem Putzen beginnen und irgendwann dann auch den Containers ausräumen. Super, oder?! Ihr merkt, ich versuche tapfer zu sein… nicht ganz ist mir das jedoch gelungen, als wegen der herrlichen Schutzmauer, die um das Gelände gebaut werden soll, drei Palmen, die vor dem Haus standen und sich so wunderbar im Wind wiegten und soo tollen Schatten gemacht haben, einfach rausgerissen wurden. Da hatte ich dann doch was Pipi in den Augen und habe mir eigentlich vorgenommen, nicht mehr auf die Baustelle zu gehen, bis alles fertig ist. Ich kann eh nichts an dem ändern, was da passiert und ich brauche meine Nerven noch für anderes (keine Sorge, werd das aber nicht durchhalten, dafür bin ich einfach zu neugierig). UND: es gibt die vorsichtige Ansage, dass wir Ende März Einweihung feiern, sprich, dass das Haus fertig sein soll. Bin sehr gespannt, denn ähnliche Ankündigungen gab es auch schon im November 2009.
So, was hatten wir denn noch?? Achja, sehr spannend fand ich meine Hospitation in einer privaten Frauenklinik hier in Pondi Anfang Februar. Da es leider nicht möglich ist, als Ausländer in einem staatlichen Krankenhaus zu hospitieren, war ich sehr froh, dass unser Architekt diesen Kontakt herstellen konnte. Und so konnte ich eine Woche der einzigen Ärztin dieser Klinik zusehen. Es gibt sicher einiges, was in Deutschland anders gelaufen wäre und auch den Umgang mit den Patienten fand ich sehr fragwürdig. Allerdings sieht diese Frau am Tag im Schnitt über 130 Patienten in ihrer Sprechstunde (von Schwangerenvorsorge bis Sterilitätsberatung, von Impfungen der Kinder bis Brustabszesse, halt alles, was man als Frau bzw. Kleinkind so haben kann, selbst wenn es eine Mandelentzündung ist). Und wie nebenbei operiert sie, betreut Geburten, auch Fehlgeburten, und leitet eben diese Klinik und um es nicht zu vergessen, sie hat auch noch Familie. Sowas gibt es hier also auch – Powerfrauen. Nur frage ich mich halt zu welchem Preis und ob man diesen zahlen sollte. Denn vielleicht wäre es gut, die Arbeit etwas zu verteilen, auf mehrere Ärzte zum Beispiel. Dann wäre sicher auch Zeit für ein freundliches oder erklärendes Wort zu den Frauen und mehr „Behandlung“ als Blutdruckmessen und Medikamente verschreiben möglich. Außerdem könnte sie sich dann zwischen den einzelnen Patienten auch die Hände waschen bzw. desinfizieren. Das fänd ich sehr schön! Alles in allem aber eine sehr interessante Erfahrung und wieder einmal das Wissen, dass unsere Arbeit nötig ist. Denn ein gutes Vorbild regt vielleicht zum Nachahmen an…
Ja, so geht die Zeit dahin, um nicht zu sagen sie rast. Ich kann es manchmal gar nicht recht glauben, dass bereits März ist. Manchmal habe ich das Gefühl, nix auf die Reihe zu bekommen; verrenne mich in Übersetzungen von Standards, der Vorbereitung des ganzen Papierkrams für die Station, Tamil lernen, WHO Berichte lesen und merke eigentlich nicht, wie die Zeit vergeht. Das drückende Gefühl, irgendetwas Wichtiges bei der ganzen Vorbereitung vergessen zu haben, nagt. Dann die Sache mit meinem Rechner, die mich wieder mehrere Wochen quasi lahm legt und ich auf Wolfgangs Rechner ausweichen muss, übel. Aber irgendwie geht immer alles.
Ich habe heute in einer Zeitschrift einen Bericht über Hillary Clinton gesehen mit netten Fotos und so. Auf einem Bild war ihr Schreibtisch zu sehen, mit einem Briefbeschwerer drauf, auf dem stand: never, never, never, never give up!
Jep!!!
In diesem Sinne, man darf gespannt sein, auf die weiteren Entwicklungen hier.
Werden wir im März das „Maternity Health Centre“ wirklich einweihen?
Außerdem wird es spannendes von meiner Freundin Ana und mir zu lesen geben, die mich Ende Februar-Anfang März hier in Indien besuchte und somit leider eindeutig in den Monatsbericht März mit reingehört.
Ich versuche Euch jetzt mal etwas Sonne, in das wohl doch recht kühle Deutschland zu schicken!!!
Bis bald

Eure Hanka