Der November 2010 6 Years, 1 Month ago  

Meine Lieben zu Hause,

wieder ein Monat rum… Tick tack tick tack und eigentlich ist wieder nichts wirklich Spannendes passiert.
Nein, wir haben noch immer nicht den Container aufgemacht, geschweige denn mit der medizinischen Arbeit begonnen. Dafür hat seit Mitte des Monats endlich der Monsun eingesetzt und wir haben reichlich Wasser. Überall. Was für den Container bedeutet, dass er nun die zweite Hauptmonsunzeit unausgepackt im Regen steht. Nicht so schön!
Man kann sich wirklich nicht vorstellen, wie viel Wasser so vom Himmel fallen kann.
Und wenn dann noch etwas Wind geht und der Regen gegen die Scheiben plätschert, dann kommt bei mir die Frage auf, warum Fenster? Es regnet so heftig rein, als ob wir sie vergessen hätten. Ok, fairer halber muss ich sagen, dass es nicht „nur“ ein bissel Wind ist, sondern schon richtige Taifungeschichten, die sicher nicht auf der Tagesordnung stehen, aber wozu Fenster, wenn sie keinen Schutz bieten?! Das Problem mit undichten Fenstern ist von Seiten unseres Ingenieurs nur durch den Vorbau von Schiebefenstern zu lösen. VETO! Jetzt wo das Haus so halbwegs fertig ist, sollen wir anfangen und neue Fenster einbauen? Abgelehnt!
Durch den reichhaltigen Regen bekommt leider auch der septische Tank eine gute Spülung von allen Seiten, was allerdings seine Funktionsfähigkeit einschränken könnte. Wir werden sehen. Was uns wirklich schockiert hat ist, dass seit einigen Tagen auch durch die Zimmerdecke in die Mitarbeiterzimmer im Haupthaus rein regnet, nicht viel, aber kleine unschuldige Tröpfchen kommen gelegentlich von oben. Manchmal frage ich mich, ist das der erste Monsun, den die Inder hier durchmachen müssen? Die Tatsache, dass es letztes Jahr auch einen gab, spricht dagegen. Aber warum versuchen sie dann nicht, sich dementsprechend vorzubereiten, anzupassen oder wenigstens ihre Häuser danach zu bauen?
Die Hütten und Straßen in der Umgebung sind alle in einem so gnadenlos schlechten Zustand, das kann man sich nicht vorstellen! Alles ist voller Schlamm, das Wasser steht so hoch, dass es in viele Häuser einfach durch die Haustür reinläuft, die Menschen haben keine Möglichkeit, ihre Sachen zu trocknen, oder sich selbst, gekocht wird irgendwie mit nassen Holz im Haus, weil draußen ja Regen und selbst die Straßen geben nach und nach ihren Geist auf. Im März dieses Jahres wurde die Straße vor dem MHC neu gebaut und ist derzeit so gut wie nicht befahrbar. Riesige Löcher tun sich auf, an denen man mit einem Zweirad irgendwie vorbeikommt, aber im Auto oder Bus… no way.
Wenn man auf dieser Straße weiter Richtung Viluppuram fährt, kommt man nicht weit, da sie einfach in einer Breite von 10m weggespült ist. Plötzlich hat man einfach das Ende der befahrbaren Welt erreicht und steht vor einem 10m breiten Flusslauf. Und die Menschen hier leben mit und in diesen Zuständen schon seit… immer.
Aber: Es kann ja nicht immer regnen! Und von der Seite geht wohl alles irgendwie irgendwann vorbei.
Genug Regengeschichten; was gab es noch im November 2010?
Das große Stromrätsel hat sich leider immer noch nicht gelöst. Folgende Frage sollten dringend beantwortet/bearbeitet werden: Warum ist nicht in allen Steckdosen eine Erdung (obwohl 100mal besprochen)? Warum ist der Durchlauferhitzer im Erdgeschoß mit dem Licht in Wolfgangs Zimmer in der ersten Etage verbunden (heißt, wenn man warmes Wasser im Erdgeschoß möchte geht bei Wolfgang das Licht an)? Und der Klassiker: Wie kann man eine Stromspannung von knapp 400 V handhaben (für die Nichtstromkenner unter Euch - mich eingeschlossen – normal sind 220V; by the way ist das der Moment wo bei Wolfgang das Licht definitiv wieder ausgeht, bildlich gesprochen)? Also alles in allem noch viel Arbeit, der Regen macht die Sache nicht besser und außerdem muss der Sohn des Elektrikers verheiratet werden und das geht eindeutig vor.
Dann haben wir diesen Monat sämtliche europäische Steckdosen eingebaut, mit tatkräftiger Unterstützung unserer indischen Putzfeen. Dafür mussten leider alle bisher dafür vorgesehen Öffnungen in der Wand per Schlagbohrer vergrößert werden, da diese schlicht und ergreifend zu klein waren. Mit fachmännischer Anleitung von Wolfgang und mir (der großen Schlagbohrerkennerin!) haben Seeli und Selvi (unsere Putzfeen) das eigenhändig ausgeführt. Und sie hatten riesigen Spaß, naja und wir natürlich auch! Eigentlich hätten sie ganz gern alle Steckdosen wieder neugemacht, aber genug Dreck ist genug Dreck.
Alle Zimmer mussten vorher komplett ausgeräumt und nachher geputzt und wieder eingeräumt werden. Aber zu guter Letzt sind jetzt alle Steckdosen fertig, die Zimmer wieder sauber und eingeräumt.

Im selben Atemzug haben wir die Verbindungstüren zwischen den Entbindungszimmern und Arzt- und Hebammenzimmer eingebaut. Sieht alles sehr schön aus und ist gut gelungen.
Und dann habe ich im November die erste interne Fortbildung für das medizinische Personal abgehalten. Thema: Hygiene im MHC. Zum Glück hatte ich in meiner Vorbereitungszeit in Deutschland auch einen Kurs über Ausbildungsmethoden, was mir sehr geholfen hat, das Seminar zu gestalten. Es hat zwar etwas gedauert, bis ich alle Materialien organisiert hatte (in Tamil& Englisch), aber am Ende ist es wohl ganz gut gelungen und ich denke, wir alle haben was gelernt und hatten auch was Spaß dabei.
Mary-Agnes und ich haben im November begonnen erneut an unsere Umfrage zu arbeiten. Die im letzten Jahr erhobene zeigte keinerlei Ergebnisse, so dass wir beschlossen haben, die Fragetaktik und Art& Weise der Durchführung zu verändern und eben alles noch mal zu machen; das kennt man ja mittlerweile. In diesem Zusammenhang haben wir die für die umliegenden Dörfer zuständige Dorf-Krankenschwester um ihre Mithilfe gebeten. Diese hat ihren Arbeitsplatz in der Gesundheitsstation in Anathapuram und ist eine freundliche, recht pummelige Frau, die Menstruationsbeschwerden auf kleine Würmer, die in der Gebärmutter leben zurückführt, aber das nur nebenbei. Wie dem auch sei, so kam ich mal wieder in den Genuss, die Gesundheitsstation zu besuchen und schlagartig relativiert sich alles, was ich oben über den mangelhaften Zustand des MHCs geschrieben habe. Wir hatten diese Station schon einmal vor 4 Jahren besucht, auf unserer Bedarfsanalysetour. Was ich mir kaum vorstellen konnte, das Haus und die ganzen Gegebenheiten sind in einem noch schlechterer Zustand als vor 4 Jahren. Alles nass und schimmelig, alles voller Mosquitos, alles dreckig und irgendwie kaputt. Katastrophal! Wie hier eine Frau ihr Kind zur Welt bringen kann, ohne dass wenigstens einer von beiden einen bleibenden Schaden, wenn nicht sogar schlimmeres, davon trägt, ist mir ein großes Rätsel. Dieser Besuch hat wieder einmal sehr eindringlich die Notwendigkeit unseres Tuns gezeigt UND wir können sehr stolz auf das MHC sein, auch wenn sicher nicht alles perfekt ist, so ist es doch in einem um Kilometer besseren Zustand als alles Umliegende!
Was mich diesen Monat besonders gefreut hat ist, dass in Pondicherry ein Hebammen Kongress stattfand. Da der Stand der Hebamme in Indien eher dem eines Hilfsarbeiters entspricht, was wohl auch an der Ausbildung von 6 Monaten liegt, fand ich es unglaublich spannend und aufregend, diese zum Teil sehr interessierten und patenten Frauen zu treffen.

Mal abgesehen von den zu Hauf wohl einbestellten KrankenpflegeschülerInnen, die als Füllmasse für leere Stühle dienen sollten und die das alles die Bohne interessiert hat, war diese Tagung ein voller Erfolg. Ich habe viel Neues über die Art& Weise der indischen Geburtshilfe gelernt, das jetzt auszubauen würde einfach zu weit führen. Wer Interesse hat kann sich aber gerne mit mir in Verbindung setzen.
Und zu guter letzt hatten wir diesen Monat einen Schlafgast in der Wohnung in Pondicherry. Christina, eine Studentin aus Italien, suchte eine kostengünstige Bleibe und da sie mit unserem Sprachlehrer arbeitet, hat er vermittelt. Ausländer und Ausländer, das passt sicher gut, dachte er sich, und so war es auch. Wir waren zwar die überwiegende Zeit ihres Aufenthaltes hier in Pondi in Anaiyeri, aber selbst dieser eine Tag mit ihr hat mich mal wieder so richtig herzhaft zum Lachen gebracht und das tut einfach unglaublich gut!

So, meine Lieben, das waren die Neuigkeiten aus Indien.
Gebt auf Euch acht und bis nächsten Monat!

Eure Hanka