Der Februar 2011 5 Years, 10 Months ago  

Ihr Lieben zu Hause,

ich möchte das „Ritual“ der Monatsberichte nicht vernachlässigen, deshalb jetzt erst mal einen kurzen Rückblick über den Februar, und dann möchte ich Euch natürlich über die weitere Öffnung der Holzboxen auf dem Laufenden halten.
Nachdem wir am 17.Februar die ersten zwei Holzkisten aus unserem Container erfolgreich geöffnet hatten, konnten die restlichen zwei Boxen erst am 1.März in Angriff genommen werden. Grund für diese Verzögerung war ein akuter Personalmangel, so dass Wolfgang, Gerda und ich es uns nicht zugetraut haben quasi allein-zu-dritt weiter zu machen. Und das war gut so. Denn die verbliebenen zwei Kisten beinhalteten die durchaus schwereren Gegenstände. Also haben wir die Zeit genutzt, um die Personaltoilette im 1.Stock fertig zu verfugen und nach einer Lösung für das „Spülenproblem“ in unserem Spülraum zu suchen. Jedes Krankenhaus sollte ja einen Raum haben, indem benutzte Instrumente gereinigt und sterilisiert, Putz- und Desinfektionsmittel gelagert werden und, wie in unserem Fall, eine Waschmaschine für die Klinikswäsche steht, eben eine sogenannte Spüle. Dafür braucht es natürlich auch ein Spülbecken und einen Wasser Zu- und Ablauf. Selbiger wurde im Zuge des Innenausbaus zu hoch angebracht, was sich nun als echtes Problem herausstellte, da ein Spülbecken zwar eingebaut werden könnte, dann jedoch das Abwasser aufwärts ins Abwasserrohr einfließen müsste. Also hat Wolfgang kurzer Hand die Wand aufgesägt und das bestehende Rohr freigelegt. Zum Glück, denn wie sich herausstellte, hätte dieses Rohr niemals Wasser geleitet und zu einer kompletten Überschwemmung geführt, da die Rohre nicht dicht verbunden waren und noch dazu kaputt. Dieser Zufallstreffer wirft nun jedoch die berechtigte Frage auf, wie denn wohl die anderen Rohre im Haus verbunden sind. Da hilft nur eins: Abwarten.
Außerdem haben wir Regale für den Store-Room gekauft und aufgebaut, sowie Türen für die Personaltoilette bestellt, die leider wieder umgetauscht werden müssen – sofern möglich – da sie einfach falsch gearbeitet wurden.
Unser Alltag sieht also weiter eher nach Handwerkerdasein aus, als nach Medizinern. Wobei ab und zu schon mal „Patienten“ nach kleineren Unfällen zu uns in die Station kommen, um z.B. eine Platzwunde o.ä. verbinden zu lassen. Das freut uns natürlich, da es ja ein gewisses Vertrauen der Bevölkerung zeigt.
Und dann habe ich im Februar das erste Mal ein richtiges Hindufestival miterlebt. Mehr oder weniger zufällig sind wir auf dem Weg dem zu einem Meeting mit Samy durch Aniyur gefahren. Dort empfingen uns schon etliche Menschen auf der Straße, recht ansehnliche Boxen mit ganz viel Musik und mit vielen Blumen und Obst geschmückte Traktoren. Erst auf den nächsten Blick wurde klar, dass nicht nur die Traktoren mit Obst geschmückt waren, sondern auch einige Frauen, die Zitronen an kleinen Haken in ihrer Haut hängen hatten. Nein, sie sahen nicht entspannt aus. In dem ganzen Gewimmel auf der Straße wurde erst nach und nach klar, dass die Traktoren in einer Art Prozession durch das Dorf gezogen wurden. Ja, sie wurden gezogen und zwar von 3-4 Männern, die ca. 10 cm große Haken in ihrem Rücken stecken hatten. Die Haut war durch das Gewicht des Traktors dermaßen unter Spannung, dass wir kaum glauben konnten, dass sie nicht reißt. Außerdem hing an jeder Seite des Fahrzeugs ein Mann in der Waagerechten, ebenfalls nur durch große Haken befestigt. Mit quasi offenem Mund und einer Mischung aus Faszination und Unverständnis haben wir diesem Umzug beigewohnt, da wir mit dem Auto auch nicht weiter kamen. Später fragten wir Samy nach dem Sinn dieser Veranstaltung. Nach einer kurzen Bemerkung von wegen alles religiöser Blödsinn, erzählte er dann doch, dass die Männer, die durch die Haken wie auch immer gemartert werden, dies wohl freiwillig tun, um durch Leiden in diesem Leben die Chancen auf ein besseres nächstes Leben zu erhöhen.
Heißt für mich im Umkehrschluss, dass ich in meinem nächsten Leben sicher keine Minute mehr warten muss. Jippie!!!
So, ihr Lieben, nach dieser erbaulichen Nachricht, spann ich Euch nicht länger auf die Folter und berichte ganz fix, was die weitere Öffnung der Holzboxen ergab.
Alles ist in Ordnung! Kein Schimmel, keine Ameisen, kaum Rost. Alles gut! Das Auspacken an sich war noch einmal ein Kraftakt, der seinesgleichen sucht, aber mit Hilfe von 8 starken Männern und beinah genauso starken 5 Frauen, haben wir es geschafft. Mir war zwischendurch vor lauter Aufregung so schlecht, dass ich wohl ganz grün aussah, aber wo gehobelt wird…
Jedenfalls ging alles ohne Probleme; in der Tat ein richtiges Hand in Hand arbeiten, was totalen Spaß gemacht hat. Das Beatmungsgerät in den OP, die Reanimationseinheit für Neugeborene in den 1.Kreißssal, der Gyn-Stuhl ins Arztzimmer, OP Tisch und Lampen in den OP, usw. Alles war wie bisher super verpackt und funktioniert soweit man das im Schnellcheck sagen kann. Und so langsam aber sicher, sieht das Haus wirklich nach „Krankenhaus“ aus. Als dann am Nachmittag noch die gut 800 kg Tupfer, Handschuhe und Verbandsstoffe ausgepackt waren und somit auch die letzte Kiste quasi ohne Makel ausgeräumt war, kam neben sehr großer Erleichterung und Freude, auch die ganz große Erschöpfung. Was für ein Mammut-Akt!
Trotzdem wollten wir noch unbedingt den Stecker des Ultraschallgerätes in die Steckdose stecken. Und was soll ich Euch sagen, meine Leber ist in Ordnung! Heißt: ES FUNKTIONIERT! Kaum zu glauben, aber 1 ¾ Jahr in Sonnenhitze und Regen scheint dem Inhalt des Containers aber auch so gar nichts ausgemacht zu haben.
Ja, 1 ¾ Jahr im Container und nichts passiert, aber in der ersten Nacht in der Geburtshilfestation kommt eine kleine unschuldige Überspannung von ca. 300 V angerollt und zack funktioniert der Drucker vom Ultraschallgerät nicht mehr. Da fällt mir dann auch keine Bemerkung mehr zu ein…
Hinzukommt, dass in meinem Zimmer die, wohlgemerkt, ausgeschaltete Glühbirne nachts immer ein wildes Zucken und Leuchten bekommt, was mich schon die ein oder andere schlaflose Minute gekostet hat, da ich befürchten musste, dass es nun so langsam losgeht und ich vielleicht morgen bunte Zebras sehe. Aber wahrscheinlicher ist wohl, dass das mit der fraglichen Stromverlegung zusammenhängt.
Also, das Stromthema ist noch immer nicht vom Tisch und es bleibt diesbezüglich weiter mehr als spannend!

Soweit die Neuigkeiten von hier.

Alles Liebe

Eure Hanka

P.S. Die Bilder zu den Berichten sind nun wieder, wie gewohnt, in der Bildergalerie zu finden.