Heute ist der 01-Juli 2011. Neun Tage illegaler Aufenthalt im Staate Tamil Nadu und ein Tag nach dem Deutschen Ultimatum, was keines sein kann, weil es keine Wirkung hat.
Die zweite Schwangere ist unter der Geburt, 13 Tage über Termin und Blasensprung seit vier Uhr morgens. Warten.
Zu den letztens in "Fotos 2011" gestellten Bildern werde ich einige Anmerkungen machen und damit nicht gleich zu Beginn Mißverständnisse aufkommen:
Die Bilder sind nicht im Netz, weil hier jemand sich über andere empören oder lustig machen will. Sie sollen die Situation der Tamilischen Landbevölkerung verdeutlichen und das Spannungsfeld in welchem sich die Menschen hier – und wir befinden.
Der abgebildete Mutterpaß bei „Vorsorge“ ist ein Dokument, ausgestellt von einem primären Gesundheitszentrum in einem Vorort von Madras und kostet nichts. Alle Untersuchungen sind frei. Und bei aller scheinbaren Un-Übersichtlichkeit enthält er die grundsätzlichen Daten im Verlauf einer normalen Schwangerschaft.
Es gibt vom Staat Tamil Nadu zurzeit zwei unterschiedliche Mutterpässe, zum Teil mit Paßbild, die aber wohl nicht in jedem PHC erhältlich sind. Hier war die Sache mit dem Termin nicht eindeutig, obwohl ein früherer Ultraschall durchaus einen Termin um den 25-06-2011 nahegelegt hätte. Zwischen den beiden Elefanten, es handelt sich um Ganesh, den Sohn des Hauptgottes Shiva, liegen Welten – und fünfhundert Rupees Untersuchungs-Gebühr, sowie 27 km Busfahrt. Das ist der Aufwand für eine von einem sonographisch spezialisierten Radiologen vorgenommene Untersuchung, die mit allem was dazu gehört fachmännisch durchgeführt wurde. Hier ist die Crux: Man verläßt sich auf Befunde anderer, die fachfremd ihre Kapazität zur Verfügung stellen. In der Hand eines erfahrenen Geburtshelfers wäre es vermutlich nicht einfach zu einer Termin-Verschiebung um vier Wochen gekommen. Das Problem haben wir in Deutschland (noch) nicht, solange Ultraschall und Konsequenz desselben in der Geburtshilfe verbleiben können. Hier wird das häufig getrennt, wohl auch wegen der Verantwortung für Fehler. Es ist gut gegangen, worüber alle froh sind, besonders unsere Begleiter in Deutschland.
Und ein anderes Problem haben wir auch nicht und das sollte nicht unterschätzt werden: Die Dokumentation eines Schwangerschafts-Verlaufs in diversen Heften, Faltblättern und Pregnancy Cards. Alles innerhalb eines Staates, vergleichbar mit Deutschland in der EU. Und für jede Schwangerschaft ein neues Heft, mitunter bei vier Kindern eben vier, zum Teil recht unterschiedliche Dokumente. Das verwirrt die Leute, sodaß die Dinger oft nicht mehr gefunden werden. Das kann man niemandem verübeln, allerdings macht es viele Entscheidungen nicht gerade einfach, nicht zu wissen, was zuvor schon festgestellt wurde. Grundsätzlich aber ist an das Wesentliche gedacht. Aber eben ohne System.
Da ist das mit unseren Mutterpässen schon komfortabler, auch wenn oft deren Führung beklagt wird. Man kann zumindest einer Systematik folgen, wenn man es will. Und hier kommt aus meiner Sicht ein Faktor ins Spiel, der mindestens nicht unbedenklich ist: Wie mögen die Inder insgesamt wohl zu ihren Gesundheits-Statistiken kommen mit welchen sie Jahr für Jahr die Welt verblüffen? Ich könnte jetzt eine naheliegende Vermutung äußern, was ich aber wegen der oben genannten behördlichen Probleme vermeide.
Etwas sollte im Zusammenhang mit der Geburt nicht unerwähnt bleiben:
Um ein Uhr früh ist Ramani, eine unserer Perlen im Haus erschienen, um alles von oben nach unten wieder in den Rein-Zustand zu versetzen. Das war hilfreich, weil die Nacharbeiten am Tage einfacher wurden. Man sollte nie vergessen, wie unentbehrlich die vielen Helfer im Hintergrund sind, die wir oft kaum wahrnehmen. Deshalb habe ich ein Bild von ihr dem Geburtsverlauf eingegliedert.
Ich melde mich wieder, wenn es Neuigkeiten gibt und das Internet dies zuläßt.
Ihnen bis dahin alles Gute!
Ihr Dr. W. Donné
Anaiyeri, Tamil Nadu, Indien, 19:30 Uhr IST